00) Geschichte des Fussballsportes in Österreich - Teil 1
Verbandsgeschichte von 1899 – 1918:
– Wenn elf Leute Fussball spielen, so bilden sie eine Mannschaft. Wenn eine „Erste, die Reserve, Jugend und Schüler“ ihre Trainingszeiten richtig eingeteilt erhalten sollen, Auslandsspiele abgeschlossen und Spieler gewonnen oder abgegeben werden, so ist das Angelegenheit eines Vereines und wenn der Spielverkehr von mehr als tausens Vereinen zu regeln ist, Konkurrenzen ausgeschrieben werden, die sich auf neun Bundesländer erstrecken, ein Länderspielprogramm aufzubauen und durchzuführen ist und die Stimme eines Landes im Konzert der internationalen Fussballorganisation hörbar werden soll, ist ein Verband nötig.
– Man wird nicht als Verbandsfunktionär geboren. Die es sind, kommen meist von Vereinen her, in denen sie jahrzentelang Aufbauarbeit leisteten und organisatorische Eignung bewiesen. Aber wie bei allen Dingen, haben sich auch die Waben im Bienenstock Fussball aus einer einzelnen Zelle aufgebaut. Diese hieß im Jahre 1899 „Comite zur Veranstaltung von Fussballwettspielen“ und war ein Zweckverband, der Risken auf sich nehmen sollte, die ein einzelner Verein zu tragen scheute. Das Komitee, dessen Gründung M. D. Nicholson anregte, erfüllte die Aufgabe, die schon in seinem Namen zum Ausdruck kam – Fussballwettspiele zu veranstalten – in hervorragender Weise. Es vermittelte den Fussballspielern und Zuschauern Wiens an den Osterfeiertagen des Jahres 1899 das erste Lehrspiel eines hochwertigen englischen Klubs, des Oxforder Studententeams, das mit Recht als eine der bestspielenden Amateurmannschaften galt. Nicholson, ein ehemaliger englischer Professionalspieler und Angestellter des Reisebüros Cook, war der Anreger des Komitees und der Engländerspiele und Geo Fuchs, der Vienna Präsident und Taufpate der Gründung übernahmen erst später Funktionen in diesem Urverband, der übrigens bald seinen Namen änderte und verbandsähnlichere Formen annahm.
– Am 4. Jänner 1900 beschloß das Komitee, sich nämlich zur Dachorganisation aller existierenden Vereine umzugestalten und den Namen „Österreichische Fussball-Union“ anzunehmen. Erster Präsident der „Union“ war Nicholson, der Wien aber bereits im Oktober des gleichen Jahres wieder verließ.
– Am 11. März 1902 unternahmen die Vertreter der erstklassigen Vereine einen Vorstoß gegen die „Union“, mit der sie nicht zufrieden waren, weil sie fanden, daß der Verband die Interessen der zweitklassigen Vereine zu sehr berücksichtige. Die Erstklassigen beschlossen deshalb die Bildung einer Vereinigung „zum gegenseitigen Schutz und zur gegenseitigen Förderung“. Dieses Kartell trat praktisch aber kaum in Erscheinung und schlief bald wieder ein. Aber in der „Union“ kehrte deshalb doch keine Ruhe ein. Im Jahre 1904 war es dann soweit. „Vienna“ und die „Cricketer“ traten aus und gründeten den „Österreichischen Fussball-Verband“. Auch die übrigen Vereine bröckelten nach und nach von der „Union“ ab, der schließlich nur mehr „Rapid“ und der „W. A. C.“ angehörten. Dem neuen Verband traten auch aus der Steiermark sechs Vereine bei: Grazer Akademischer Sportverein, Sportverein Cilli, Grazer Athletiksport-Klub, Grazer Footballteam 1903, Judenburger Sportklub und der Deutsch-Akademische Sportverein Leoben.
Da sich im Juni nach den Grazern auch die Prager Vereine dem Österreichischen Fussball-Verband anschlossen, konnte er im Sommer voll Stolz bekanntgeben, daß nunmehr bereits 20 Vereine in ihm vereinigt seien.
– Inzwischen war, am 21. Mai 1904, in Paris der Internationale Fussball-Verband, die „Federation Internationale de Football Association“ (F. I. F. A.) gegründet worden. Als Gründerstaaten nahmen an dieser Sitzung teil: Frankreich, Belgien, Schweiz, Holland, Dänemark, Schweden und Spanien.
– Am 1. Oktober erfolgte dann die offizielle Auflösung der „Fussball-Union“ und die noch in ihr vereinigten Klubs siedelten zum Verband über. In seiner Bilanz im November 1904 konnte der Österreichische Fussball-Verband bekanntgeben, daß die „Prager Sparta“ in die I. Klasse aufgenommen sei und daß der Verband nunmehr 9 erstklassige und 21 zweitklassige Vereine umfasse. „Slavia Prag“ wurde 1905 in die erste Spielabteilung aufgenommen.
– Im Jahre 1906 beantragte der Österreichische Fussball-Verband (Ö. F. V.) die Einführung von Meisterschaftsspielen. Er vermochte mit seinem Vorschlag aber nicht durchzudringen, weil die großen Vereine sich der Idee widersetzten.
– Erwuchsen dem Ö. F. V. einerseits Schwierigkeiten durch die einseitig von Vereinsinteressen diktierte Einstellung der großen Klubs, so schufen nationale Empfindlichkeiten und Aspirartionen, die ja auch das politische Leben vergifteten, weitere ernst Probleme. Ein tschechischer Verein nach dem anderen trat aus dem Österreichischen Fussball-Verband, der den Tschechen zu deutschfreundlich schien, wieder aus und ein eigener tschechischer Verband wurde ins Leben gerufen, der von einer Zugehörigkeit zum Österreichischen Fussball-Verband nichts wissen wollte. Dieser verhängte daraufhin ein Boykott über die tschechischen Klubs, der jedoch über Intervention der Ungarn wieder aufgehoben wurde. Es gelang den tschechischen Vereinen sogar, ihre Organisation als „Böhmischer Verband“ Aufnahme in die F. I. F. A. zu verschaffen, wo dieser Teilverband entgegen der Bestimmung, daß ein Land nur durch einen Verband vertreten sein dürfe, bis 1908 Sitz und Stimme hatte.
– Die Machtmöglichkeiten des Österreichischen Fussball-Verbandes waren noch nicht groß genug, um den Spielbetrieb in der österreichischen Monarchie wirklich unter die Fittiche nehmen zu können. So entstanden im Süden des Reiches eine Reihe spielstarker Vereine; in Triest zum Beispiel „Eintracht“, „Rangers“, „Black Star“, „Circolo sportivo Juventus“, die gegen englische Marinemannschaften Wettspiele austrugen. Reisen dieser Vereine in andere Städte oder ihr Anschluß an eine größere Vereinsgruppe konnten aber nicht organisiert werden, so daß die Klubs an Inzucht wieder zu Grunde gingen.
– 1907 brachte eine Neuwahl im Verbandsvorstand neben dem Präsidenten Ing. Waller von „Rapid“ als Vizepräsidenten Dr. Ignaz Abeles an die Spitze des Fussballverbandes. Dr. Abeles, der bald eine der markantesten Figuren des österreichischen Sportes wurde, war in Prag beim D. F. C. aufgewachsen und als Arzt nach Wien gekommen, wo er der „Vienna“ beitrat. Durch rund zwei Jahrzehnte war er in aufopferndster Weise für den Sport tätig, dem er durch seine Klugheit, Rechtlichkeit und Unparteilichkeit hervorragende Dienste leistete.
– Eine Zählung ergab damals dreihundert Fussballvereine für ganz Österreich. Von den 70 in Wien existierenden Klubs waren bloß etwas mehr als 30 im Verband vereinigt. In Prag gab es 27 Vereine, in Niederösterreich und der Steiermark gab es schon ein ziemlich reges Vereinsleben, in Vorarlberg wurde in Lustenau der erste Fussballklub eben gegründet, in Oberösterreich und Salzburg wußte man noch nicht viel vom Fussballsport.
– Zu Pfingsten 1908 tagte der F. I. F. A. Kongreß in Wien. Der wichtigste Punkt der Tagesordnung war die Frage des Böhmischen Verbandes. Dr. Abeles und Hugo Meisl vertraten namens des Österreichischen Fussball-Verbandes den Standpunkt, daß nach den F. I. F. A. – Satzungen jedes Land nur durch einen Verband vertreten sein könne und Böhmen kein selbständiges Land sei, was schon daraus hervorgehe, daß es kein eigenes Parlament besitze. Die F. I. F. A. schloß sich dieser Auffassung nach langen Beratungen an und trug den Tschechen auf, sich dem Österreichischen Fussball-Verband unterzuordnen, wobei ihnen eine weitgehende Autonomie in Aussicht gestellt wurde. Die Tschechen fügten sich aber dieser Entscheidung nicht. Sie lehnten, mehr aus politischen wie aus sportlichen Gründen, jede Gemeinschaft mit Wien und jede Unterordnung unter die Hauptstadt der Monarchie ab, verzichteten auf Spiele mit den F. I. F. A. Ländern und nahmen diesen Boykott auf sich. So blieb der tschechische Fussball bis zur Erlangung der politischen Unabhängigkeit der Tschechoslowakei nach dem ersten Weltkrieg isoliert.
– In den Wintermonaten 1909 wurde eine Umorganisation des Österreichischen Fussball-Verbandes angebahnt. Ernst Wengraf, arbeitete die neuen Pläne aus. Die neue Gliederung sah Unterverbände für Böhmen und die Alpenländer vor, Niederösterreich und Wien blieben vereinigt und bildeten gemeinsam den Niederösterreichischen Fussball-Verband. Praktisch hieß das eigentlich, daß der bestehende Österreichische Fussball-Verband zum Nieder-Österreichischen Fussball Verband wurde, während die bereits bestehenden und neuzugründenden Unterverbände im neuen Österreichischen Fussball-Verband ihre Zentralbehörde erhielten. Ungarn wurde von dieser Regel nicht berührt und auch der neue Österreichische Fussball-Verband bezog sich nur auf „Cisleithanien“. Die Generalversammlung, die anfangs 1910 tagte, nahm diesen Antrag an. Der alpenländische Unterverband umfaßte alle Vereine aus Steiermark, Kärnten, Tirol, Oberösterreich und Salzburg. Die Konstituierung des neuen Verbandes erfolgte am 11. Dezember 1910.
– Wie sehr sich die Erkenntnis, daß ein Verband Autorität besitzen und von seinen Mitglieder respektiert werden müsse, in den ersten 15 Jahren des Fussballbetriebes in Österreich, trotz mancher Widerstände und künftiger Rückschläge, doch schon Bahn gebrochen hatte, beweist der Umstand, daß es dem Präsidenten des Nieder-Österreichischen Fussball Verbandes Dr. Abeles, 1911 endlich gelang, das zu erreichen, worum man durch Jahre ergebnislos gekämpft hatte: Die Einwilligung der Vereine zur Einführung eines Meisterschaftsbewerbes, an dem teilzunehmen für alle Vereine Pflicht war.
– 1911/12 startete die Meisterschaft von Niederösterreich als Dauerkonkurrenz in allen Klassen. Es war dies die endgültige Einführung des regelmäßigen Punktebewerbes in Österreich, während die analogen Konkurrenzen in den Kronländern, erst mehrere Jahre später folgten. So begann die Meisterschaft in Oberösterreich 1919/20, in der Steiermark 1920/21 und in Salzburg, Kärnten und Vorarlberg 1921/22.
– Die Daten, die 1913 bei der Jahreshauptversammlung des Österreichischen Fussball-Verbandes bekanntgegeben wurden, lauteten:
Nieder-Österreichischer Fussball Verband (59 Vereine), Deutsch-böhmischer Fussball Verband (23 Vereine), Deutsch-alpenländischer Fussball Verband (13 Vereine), der am 25. Juni 1911 in Lemberg gegründeten Deutsch-polnische Fussball Verband (12 Vereine) und 11 Vereine unterstanden dem Verband direkt. Am 13. Juli 1913 wurde ein weiterer Unterverband, der Fussball Verband für Mähren und Schlesien gegründet.
– Im Spieljahr 1913/14 hatten sich im Verbandsleben noch einige Besonderheiten von weittragender Bedeutung ergeben. So hatte der Verband auf Antrag der „Vienna“ den Beschluß gefaßt, daß die bisher üblichen Qualifikationsspiele zwischen dem Letzten oder Vorletzten in der Tabelle der I. Klasse und dem Meister der II. Klasse um den Ab- und Aufstieg abgeschafft werden. Als das Spieljahr zu Ende war, stand die Vienna aber auf dem letzten Tabellenplatz und wurde nun ein Opfer der auf ihren Antrag gefaßten neuen Bestimmung. Die Bemühungen, den Verbandsbeschluß wieder umzustoßen, um dem Schicksal des Abstieges zu entgehen, blieben ergebnislos.
– Am 17. Juli 1914, als die Würfel schon gefallen waren, faßte die Vienna Generalversammlung auch tatsächlich den Beschluß, aus dem Verband auszutreten. Die aus dem Verband ausgeschiedene „Vienna“ fand in ihren separatistischen Bestrebungen Schützenhilfe bei den deutsch-böhmischen Vereinen, die in diesem Jahr gleichfalls ihren Austritt aus dem Österreichischen Fussball-Verband angemeldet hatten, was von diesem mit einer Boykottverhängung gegen die abtrünnigen Vereine beantwortet worden war. Gemeinsam mit den deutsch-böhmischen Vereinen ging „Vienna“ nun an den Aufbau eines Gegenverbandes zum Österreichischen Fussball-Verband, der die Insignien F. U. A. N. (The Football Union of Austrian Nations) im Titel führte. Als Unterverband für Wien und Niederösterreich wurde von den Viennaproponenten der F. I. Nö. (Fussball-Interessenverband Niederösterreichs) ins Leben gerufen. Die F. U. A. N. und der F. I. Nö. gabe in den Jahren 1914-1915 vereinzelte Lebenszeichen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß diese Dissidentenverbände sich gegen den legitimen Staats- und Landesverband selbst in normalen Zeitläufen durch längere Zeit hätten behaupten können, wie ja alle Abspaltungen vor- und nachher erfolglos blieben. Aber bei der Neuschöpfung der „Vienna“ und des tschechischen Verbandes kam der Krieg als erschwerendes Faktum dazu und er war es, der der Football Union of Austria Nations und dem Fussball-Interessenverband Niederösterreichs nach kurzem Bestand das Lebenslicht ausblies.
– Ein Versuch des Österreichischen Fussball-Verbandes 1915, den Cesky Svaz wieder zur Annäherung an den offiziellen Staatsverband zu bringen, scheiterte. Prag verhielt sich ablehnend. Im Mai 1916 wurde der Cesky Svaz durch die Prager Statthalterei aufgelöst. „Slavia“ und einige andere Vereine traten wieder dem Österreichischen Fussball-Verband bei, „Sparta“ folgte diesem Beispiel erst später. Der Canossagang der Vereine zum Österreichischen Fussball-Verband blieb auch der „Vienna“ nicht erspart. Gegen Ende der Saison wurde sie wieder in den Verband aufgenommen und in die II. Klasse A eingeteilt, in der sie nach dem Endtabellenstand von 1913/14 hätte spielen müssen.
– Innerhalb der Fussballorganisation suchte man weiter nach Kompromißlösungen, die den gegensätzlichen Aspirationen aller nach Möglichkeit gerecht werden sollte und so setzte der Österreichische Fussball-Verband ein Aktionskomitee ein, das die reibungslose Einschaltung der tschechischen Vereine in den Verband möglich machen sollte. Auch die deutsch-böhmischen Vereine nahmen durch einen Vertreter wieder an den Verhandlungen teil. Aber obzwar die Tschechen bei den Einigungsverhandlungen erreicht hatten, daß man ihnen weitgehendste Konzessionen machte, war kein tatsächlicher Friedensschluß erreichbar. Die Tschechen hatten die Zusage erreicht, daß in eine „böhmische“ Auswahlmannschaft grundsätzlich keine Deutschböhmen mehr eingestellt werden würden und außerdem hatte der Verband seine Zustimmung dazu gegeben, daß national getrennte Verbände errichtet werden sollten. Eine Entscheidung, die eigentlich dem Gedanken der Nationalitätengemeinschaft, das sich 1918 dann in der politischen Gestaltung Europas verwirklichte, vorwegnahm. Trotzdem kam es wieder zum Bruch, die Tschechen traten neuerdings aus dem Verband aus und abermals wurde ein Spielverbot der Verbandsvereine gegen sie ausgesprochen. Dagegen traten im Winter 1917 die deutsch-böhmischen Vereine wieder dem Österreichischen Fussball-Verband bei, für welchen Schritt weniger ihre Sympathie zum Wiener Schirmherr, als ihr Gegensatz zum größten deutsch-böhmischen Verein, dem Prager D. F. C., der nicht anschlußbereit schien, maßgebend war (Quelle: Geschichte des Fussballsportes in Österreich, von Leo Schidrowitz 1951);
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